Warum krafttraining auch im alter wichtig ist

Warum krafttraining auch im alter wichtig ist

Muskelkraft kennt kein Alter: Warum gezieltes Krafttraining auch im hohen Alter entscheidend ist

„In meinem Alter lohnt sich das doch nicht mehr.“ – Diesen Satz höre ich als ehemaliger Pflegefachmann und Gesundheitsjournalist immer wieder. Viele ältere Menschen gehen davon aus, dass körperliche Fitness irgendwann einfach nicht mehr relevant ist. Besonders Krafttraining wird oft als Domäne der Jungen betrachtet. Doch genau das Gegenteil ist richtig. Wer im Alter aktiv bleibt, kann nicht nur Lebensqualität zurückgewinnen, sondern auch konkrete Beschwerden lindern – und sich unter Umständen sogar Pflegebedürftigkeit ersparen.

Was passiert mit der Muskulatur im Alter?

Ab dem 30. Lebensjahr beginnt unser Körper Muskulatur abzubauen – ganz automatisch. Dieser schleichende Prozess, die sogenannte Sarkopenie, führt dazu, dass wir im Alter weniger Kraft haben, uns langsamer bewegen und weniger stabil stehen. Wer dem nicht entgegenwirkt, verliert pro Jahrzehnt rund 3–8 % Muskelmasse. Ab 70 Jahren kann der Muskelabbau sogar drastisch zunehmen.

Das Gefährliche daran: Mit der Muskelmasse sinkt nicht nur die Belastbarkeit, sondern auch der Stoffwechsel verlangsamt sich, das Sturzrisiko steigt, und alltägliche Aufgaben fallen zunehmend schwerer.

In meiner Zeit als Pflegefachmann habe ich zahlreiche ältere Menschen betreut, die genau aus diesem Grund auf Hilfe angewiesen waren – nicht etwa wegen schwerer Krankheiten, sondern weil ihnen schlicht die Kraft für den Alltag fehlte.

Krafttraining: Mehr als nur Muskelaufbau

Krafttraining wird oft mit Bodybuilding und Fitnessstudios assoziiert. Dabei geht es im höheren Alter weniger um große Muskeln als um funktionelle Kraft – also jene Muskelkraft, die man im Alltag wirklich braucht: für das Treppensteigen, das Tragen von Einkäufen oder das Aufstehen aus einem Sessel.

Zahlreiche Studien zeigen, dass regelmäßiges Krafttraining bei älteren Menschen positive Effekte auf eine Vielzahl von Gesundheitsparametern hat:

  • Verbesserung der Muskelkraft und Beweglichkeit
  • Reduziertes Sturzrisiko
  • Erhalt der Knochendichte (wichtig zur Vorbeugung von Osteoporose)
  • Stabilisierung des Blutzuckerspiegels bei Diabetes Typ 2
  • Gesteigerte Lebensqualität und Selbstständigkeit

Ein gutes Beispiel dafür ist Herr Keller, ein 74-jähriger langjähriger Leser unseres Blogs. Nach einer Knieoperation begann er ein moderates Krafttraining, begleitet von einer Physiotherapeutin. Was anfangs mit Widerstandsbändern und Stuhlübungen begann, entwickelte sich zu einem kleinen Heimtraining mit Hanteln. Heute sagt er: „Ich hätte nie gedacht, dass ich mit über 70 fitter bin als mit 60.“

Auch die Psyche profitiert

Was viele unterschätzen: Krafttraining wirkt nicht nur körperlich, sondern auch auf die psychische Gesundheit. Studien der Universität Erlangen-Nürnberg zeigen, dass moderate körperliche Belastung – insbesondere in Form von Muskeltraining – depressive Symptome bei älteren Menschen signifikant reduzieren kann.

Der Grund dafür liegt zum einen in der verbesserten Körperwahrnehmung und Selbstwirksamkeit. Wer feststellt, dass er wieder mobiler wird, fühlt sich automatisch aktiver und selbstbestimmter. Zum anderen wird beim Training das Hormon Endorphin ausgeschüttet – unser körpereigenes „Glückshormon“.

In meiner beruflichen Laufbahn habe ich das oft beobachtet: Menschen, die regelmäßig (und richtig dosiert) Krafttraining in ihren Alltag integrieren, wirken wacher, stabiler und emotional ausgeglichener.

Hürden und Ängste: Was hält uns ab?

Viele scheuen sich gerade im Alter vor dem Einstieg. Typische Bedenken, die ich oft höre:

  • „Ich habe doch Rückenprobleme.“
  • „Mein Arzt hat nichts dazu gesagt, dann brauche ich das sicher nicht.“
  • „Ich will mich nicht im Fitnessstudio blamieren.“

Dabei braucht es weder Hochleistungssport noch spezielle Ausstattung. Wichtig ist ein sanfter Einstieg – am besten begleitet von einer Fachperson. Physiotherapeuten, Rehabilitationszentren oder auch speziell geschulte Fitnesstrainer bieten Programme an, die auf ältere Menschen zugeschnitten sind.

Und wer lieber für sich trainiert, kann einfache Übungen zu Hause durchführen – etwa Kniebeugen am Stuhl, Wand-Liegestütze oder Übungen mit Wasserflaschen als Gewichten. Die Regelmäßigkeit ist dabei viel entscheidender als die Intensität.

Wie sieht ein gutes Krafttraining im Alter aus?

Ein effektives Trainingsprogramm muss nicht kompliziert sein. Hier ein einfaches Grundgerüst, das auch Anfängern ohne Vorerfahrung eine Orientierung bietet:

  • Frequenz: 2–3 Trainingseinheiten pro Woche
  • Dauer: 30–45 Minuten pro Einheit
  • Übungen: Fokus auf große Muskelgruppen (Beine, Rücken, Rumpf, Arme)
  • Intensität: Leichtes bis mittleres Gewicht; 10–15 Wiederholungen pro Übung

Beispielübungen:

  • Aufstehen und Hinsetzen vom Stuhl (Beinkraft)
  • Wand-Liegestütze (Brust und Arme)
  • Wasserflaschen-Curls (Bizeps)
  • Seitliches Beinheben (Hüfte und Gleichgewicht)
  • Rumpfrotation im Sitzen (Rücken und Bauchstabilität)

Ideal ist es, vorher medizinischen Rat einzuholen – insbesondere bei bestehenden Vorerkrankungen. Oft kann auch ein Check-up beim Hausarzt klären, wie intensiv das Training gestaltet sein sollte.

Die Rolle der Ernährung

Krafttraining im Alter funktioniert nur dann richtig, wenn auch die Ernährung mitspielt. Der Körper braucht ausreichend Protein, um Muskeln aufzubauen und zu erhalten. Leider nimmt der Eiweißbedarf mit dem Alter zu – während die Aufnahme oft gleichzeitig sinkt.

Empfehlenswert sind etwa 1–1,2 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht täglich – ideal verteilt über den Tag. Hochwertige Eiweißquellen wie:

  • Hülsenfrüchte (Linsen, Kichererbsen)
  • Milchprodukte (Quark, Käse, Joghurt)
  • Fisch (vor allem Lachs oder Makrele)
  • Eier
  • Fleisch in moderatem Maß
  • Tofu oder Tempeh

Auch eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D und Kalzium ist entscheidend, besonders für die Knochengesundheit. Wer wenig Sonnenlicht bekommt oder ein erhöhtes Risiko für Osteoporose hat, sollte diese Werte regelmäßig kontrollieren lassen.

Kleine Veränderungen, grosser Effekt

Einer der grössten Irrtümer vieler älterer Menschen lautet: „Ich bin zu alt, um noch etwas zu ändern.“ Fakt ist: Muskeln reagieren in jedem Alter auf Training – auch mit über 80 Jahren. Zahlreiche Studien, unter anderem jene der TU München oder des Robert-Koch-Instituts, belegen, dass sogar Hochaltrige durch gezieltes Muskeltraining messbare Fortschritte erzielen können.

Ich erinnere mich gut an Frau H., damals 83, die nach einem Oberschenkelbruch im Pflegeheim landete. Durch konsequente Bewegungstherapie und leichte Kräftigungsübungen war sie nach sechs Monaten wieder mobil genug, um in ihre Wohnung zurückkehren zu können. Ihre Motivation: „Ich will mein Leben zurück, nicht im Bett enden.“

Ein Plädoyer für mehr Bewegung – auch (und gerade) im Alter

Krafttraining ist keine Frage von Ehrgeiz oder Jugendwahn – sondern ein Werkzeug für mehr Würde, Selbstständigkeit und Lebensfreude im Alter. Wer heute beginnt, sich zu bewegen und seine Muskulatur zu stärken, investiert direkt in eine bessere Zukunft – körperlich wie seelisch.

Also: Warum nicht heute anfangen? Schon ein kleiner Spaziergang kombiniert mit ein paar Stuhlübungen kann den Unterschied machen. Und denken Sie daran: Der beste Zeitpunkt, etwas für die eigene Gesundheit zu tun, ist immer jetzt.